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Ist ChatGPT kreativ oder kopiert die KI nur?

Die Frage, ob künstliche Intelligenzen wie ChatGPT kreativ sind oder lediglich Maschinen zur Erstellung von bedeutungslosen Texten, ist eine spannende und komplexe. Anstatt sie einfach auf ihre Fähigkeit zu reduzieren, einen Roman oder ein Gedicht zu verfassen, müssen wir uns damit beschäftigen, wie kreative Prozesse bei Menschen funktionieren und inwiefern ChatGPT diese Prozesse nachahmen kann.

Die unterscheidet die psychologische Literatur zum Thema Kreativität grundsätzlich in „divergentes“ sowie „konvergentes“ Denken im kreativen Prozess. Im menschlichen Gehirn spielen beide zusammen, um kreative Ergebnisse zu erzielen.

Eine sehr anschauliche Grafik habe ich bei Projekte leicht gemacht dazu gefunden:

Divergentes Denken
Ideen, Lösungsansätze:
• viele Ideen
• offen
• alles ist zugelassen
• Thema wird ausgelotet

Konvergentes Denken
Auswahl, Fokussierung:
• wenige Vorschläge
• machbar
• wirkungsvoll
• effizient
• wirtschaftlich

Aufgabe / Problem
1. Problemklärung
2. Ideenfindung
3. Ideen-auswahl 
4. Entscheidung (Umsetzung, Fortführung)
Ergebnis / Lösung

Divergentes Denken

Divergentes Denken ist ein von J.P.Guilford geprägter Begriff: Divergentes Denken bedeutet, offen, unsystematisch und spielerisch an Probleme heranzugehen und dabei Denkblockaden und kritische Einwände auszuschalten.

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/divergentes-denken/3558

Divergentes Denken bezieht sich auf die Fähigkeit, aus einem Stimulus heraus eine Vielzahl von Ideen zu entwickeln – also gut im „Brainstorming“ zu sein.

Konvergentes Denken

Konvergentes Denken bezeichnet die konventionelle Art des Problemlösens, nämlich logisch, planmäßig und streng rational.

https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/konvergentes-denken/8180

Konvergentes Denken hingegen besteht darin, aus der Fülle der Möglichkeiten die wenigen richtigen oder optimalen Lösungen herauszufiltern. Gerade im lexikalischen Bereich ist ChatGPT hier menschlichen Fähigkeiten überlegen.

Kreativität in GPT?

Doch wie sieht es nun aus mit der Kreativität in großen Sprachmodellen? Wie lässt sich diese messen oder bestimmen? Ist es überhaupt möglich, den Grad der kreativen Prozesss in großen Sprachmodellen zu messen?

Einen sehr interessanten Ansatz bei Beantwortung der Frage, ob ChatGPT bzw. die Sprachmodelle GPT-3 und GPT-4 wirklich kreativ sind, hat die KI Forscherin Yennie Jun angewendet. Sie erforschte die Kreativität in großen Sprachmodellen bereits seit GPT-2 bis hin zum neuesten Modell GPT-4 und analysierte die Entwicklung von kreativen Prozessen in großen Sprachmodellen durch standardisierte Kreativitätstests und verglich diese mit menschlichen Leistungen.

Im sogenannten Remote Associates Test (RAT), bei dem es darum geht, ein Wort zu finden, das drei andere Wörter verbindet, löste ChatGPT fünf von zehn schwierigen Rätseln sofort und drei weitere im zweiten Anlauf. Du solltest in der Lage sein, die leichten Aufgaben zu lösen, aber schon die mittelschweren Rätsel sind ziemlich anspruchsvoll. Ein normaler Mensch wird etwa die Hälfte dieser Rätsel lösen können, während die meisten bei den meisten schweren Rätseln die Lösung nicht finden.

Die Ergebnisse sind durchaus überraschend.

Neuere GPT-Modelle schneiden dabei deutlich besser ab. Schaut man sich den Prozentsatz der Fragen an, auf die jedes GPT-Modell eine richtige Antwort gegeben hat, zeigt sich sehr deutlich, dass je neuer das Modell ist, umso mehr richtige Antworten konnte es geben:

Auf der Website des Remote Associates Test heißt es: „Eine typische Person kann die meisten der als leicht gekennzeichneten Aufgaben lösen, etwa die Hälfte der mittleren und nur wenige der schweren Aufgaben.“ Auf der Website werden leider keine offiziellen Statistiken veröffentlicht, aber ein kurzer Blick zeigt, dass GPT-4 in der Tat etwa die Hälfte der mittelschweren und einige der schweren Aufgaben lösen konnte und damit das einzige Modell war, das annähernd mit dem menschlichen Niveau vergleichbar war. Die anderen GPT-Modelle waren noch schlechter als die menschliche Leistung.

Beim konvergenten Denken haben Menschen also aufgrund ihrer komplexen Erfahrungen zumindest teilweise Vorteile im direkten Vergleich mit der KI: Was für uns die „richtige“ Lösung ist, hängt oft mit der biologischen Konfiguration unserer Wahrnehmung und Kognition zusammen. Wir haben eine biologisch begründete Antenne für Kreatives, während ChatGPT lediglich mit dem gesicherten wissenschaftlichen Kenntnisstand und Feedback arbeiten kann. Daher wirken manche konvergenten Operationen von ChatGPT auf uns noch recht banal, obwohl sie in der Tat sehr verschiedene Elemente miteinander kombinieren.

Für das divergente Denken setze Yennie Jun auf den sogenannten Divergent Association Task (DAT), welcher erst 2021 von einer Forschergruppe entwickelt wurde. Bei diesem Test geht es darum, zehn Substantive zu benennen, die sich so weit wie möglich voneinander unterscheiden. Wie der Name schon sagt, ist dieser Test divergent und hat somit auch keine richtigen Antworten.Darin zeigte ChatGPT im ersten Durchlauf bereits überdurchschnittliche Fähigkeiten, konnte sich durch Feedback schnell verbessern und war im dritten Versuch bereits unter den besten 10% der Teilnehmer.

Your score is 91.88, higher than 98.11% of the people who have completed this task

Auch hier zeigte sich unabhängig von der verwendeten Temperatur, dass die neueren Modelle GPT-3.5 und GPT-4 deren Vorgänger GPT-3 deutlich überlegen waren:

Im Vergleich mit der KI haben Menschen im divergenten Denken sowohl Vor- als auch Nachteile gegenüber ChatGPT: Unsere Erfahrungen sind vielfältiger als die Trainingsdaten von ChatGPT, und wir können beispielsweise Gerüche direkt mit Bildern verknüpfen. Dieser Vorteil wird auch als „Embodiment“ bezeichnet. Jedoch kann es Menschen schwerfallen, streng logisch zu denken, um beispielsweise komplexe Kausalketten aufzulösen, während ChatGPT im Gegensatz zu uns Menschen keine Präferenz für tatsächlich eingetretene Ereignisse aus der Vergangenheit entwickelt und auch damit Konditionalsätze ohne menschliche Vorurteile auswerten kann.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Behauptung, ChatGPT sei nicht kreativ, stark vereinfachend ist und ignoriert, dass ChatGPT divergente und konvergente Denkprozesse erstaunlich gut imitieren kann. Dennoch haben Menschen aufgrund ihrer verkörperten Erfahrungen und biologischen Antennen für Kreatives – zumindest vorerst – Vorteile gegenüber KI-basierten Systemen wie ChatGPT.

Es fällt angesichts der rasanten Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz nicht besonders schwer sich eine Zukunft vorstellen, in der generative LLMs nicht mehr von Menschen zu unterscheiden sind.

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Kai Spriestersbach

Kai Spriestersbach

Kai Spriestersbach ist erfolgreicher Unternehmer und digitaler Stratege mit einem Master-Abschluss in Web Science. Er ist Inhaber von AFAIK und verfügt über mehr als 20 Jahre Erfahrung im Aufbau und der Optimierung von webbasierten Geschäftsmodellen. Als einer der erfahrensten Search Marketing Experten im deutschsprachigen Raum hat er mehr als 25 Vorträge auf SEO- und Online-Marketing-Konferenzen in Deutschland und Österreich gehalten. In den letzten Jahren hat er sich intensiv mit Large Language Models beschäftigt und sich als Experte für die Textgenerierung mit Hilfe künstlicher Intelligenz etabliert. Seine Karriere begann er mit einer Ausbildung zum Mediengestalter (IHK), bevor er den Bachelor of Science (B.Sc) in E-Commerce absolvierte. Anschließend erwarb er den Master of Science (M.Sc) in Web Science und forschte an der RPTU im Bereich angewandter generativer KI.

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