Wie einige sicher mitbekommen haben, war ich in diesem Jahr, zum ersten Mal seit der ersten SEO CAMPIXX nicht im März in Berlin. Der Grund hierfür war das Marketing Festival, welches leider zeitgleich in Prag statt fand. Internationale Top-Speaker wie Mark Ritson, Dan Ariely, Samuel Scott, Stéphane Hamel, Wil Reynolds und Christopher Wylie kann man nicht auf Konferenzen in Deutschland sehen, außerdem ist Prag eine wunderschöne Stadt mit fantastischer Lebensqualität und alleine deswegen schon eine Reise wert.
Keynote: The Future of Search – Wil Reynolds
Leider hat die Keynote, abgesehen von einem echt geilen Tipp für den Vertrieb von SEA-Dienstleistungen, meine Erwartungen enttäuscht. Der zweite Vortrag ebenso. Zum Glück waren die folgenden Sessions dafür umso besser!
Wil fängt wirklich stark an. Er ist ein super Unterhalter – keine Frage. Er stellt die Frage, wieso man ihm zuhören soll, wieso man dem glauben soll, was er sagt. Nicht weil er seit Ewigkeiten in der SEO Industrie ist (Wil ist seit 20 Jahren SEO) sondern weil er auf „half a terabyte of search data“ sitzt.
Future of Search is Google getting better to understand human behaviour.
Wer hat schon einmal Menschen beim Suchen beobachtet? Welche Seiten werden angeklickt, welche nicht und wieso!? Diese Frage lässt mich an Fokusgruppen und Panels denken – Vorfreude – … Wil meint allerdings leider nur Search Console Daten 🙁
Human Signals CAN override algorithmical.
Als Beispiel zeigt Wil die Suche nach „How to get high“ und einem Video mit dem Titel „2018 Link Building Strategies“, welches wohl für eine Woche auf Platz 4 zu dieser Suchanfrage geranked wurde. Wieso? Weil SEOs know how to get high ON GOOGLE aber nur Snoop dog knows how to get high.
Lustig, aber nichts besonderes. Wenn deine Seite nach einer Woche keine Klicks auf Position 4 bekommt, und/oder eine extrem hohe Return-To-SERP-Rate aufweist – KEIN WUNDER, dass das Ranking wieder verschwindet!
How do I find out the helpfulness of content at Scale?
Wieder die spannende Frage… aber vorher der Einschub. Was war Future of Search? Wearables – wo sind sie? Voice Search – wirklich? Chatbots – NOT READY! Studien zufolge sollten 50% aller Suchen mittels Sprachsuche ausgelöst werden – im Jahr 2020. Das ist in 8 Monaten! Fangen wir plötzlich an, die Hälfte aller Suchen … NO WAY! Was ist mit AI? In 10 Jahren vielleicht. Aber ein Unternehmen, dass nichtmal eine einfache 301-Weiterleitung in 5 Jahren umsetzen kann, fragt nach AI? Wirklich? In diesem Punkt stimme ich Wil 100%ig zu! Bullshitbingo at its best. Die klassische Suche ist immer noch meeega relevant, auch wenn die Tendenz in den letzten Jahren in Sachen SEO nicht wirklich nach oben zeigt.
Er behauptet:
GOOGLE LEAVES CLUES
DO YOU SEE THEM? You can’t believe what Google tells you is important. Look at your data to see if it impacts your site.
Toller Spannungsbogen … aber dann kamen Searchmetrics Folien 🙁 Der gleiche Ranking Faktoren Bullshit, den ich seit Jahren nicht mehr sehen kann. Macht es eben auch nicht besser, dass man das jetzt nach Branchen aufdröselt. Dann: Ein geiler Tipp um Kunden zu gewinnen, allerdings im SEA … und auch nur, für denjenigen, der etwas weiterdenken kann – die Kollegen werden sich freuen.
Und jetzt kommts! Wil sagt:
Some Data is better than no Data.
Wirklich?! Sorry, aber das ist BULLSHIT! Wenn man, wie in seinem Beispiel, „OK Google“ Queries von Morons nimmt, die versehentlich in der normalen Suche gelandet sind und damit anders als Google Assistant Suchen in der Search Console landen, diese Queries also als Stichprobe nimmt, um auf das Suchverhalten der Allgemeinheit zu schließen? Da würde ich sogar behaupten: Better no data than bad data!
Aber okay, datengetriebene Analysen sind in den USA scheinbar echt was Neues. 2019 entdecken US-SEOs also die Suchanfragenberichte der Google Search Console. Geil!
OK es wird noch besser:
The Long Tail got really Long!
Wer meine Vorträge kennt weiß, dass ich seit langem auf die Macht des Long Tails hinweise und mir sicher bin, dass die meisten Marketer diesen unterschätzen. Aber Wil sagt: Der Long Tail wird länger und verwendet dabei ein seinem Screenshot Searchmetrics Daten von 2007 vs. 2018. Also eine Seite hat 2007 zu 4492 Keywords gerankt und nun zu 57.13K. Aber hat Searchmetrics im selben Zeitraum nicht seine Keyword Daten massiv aufgeblasen? Klar werden die Suchen länger, aber das kannste nicht aus DIESEN Daten lesen.
Dann sagt er:
Use your own data.
und zeigt wieder Folien mit Searchmetrics Daten – okay genau mein Humor.
Dann kommen wirklich „eigene Daten“: Er durchsucht die Suchanfragen aus der GSC nach „Adjektiven“ und findet dann rankende Seiten, bei denen der Kunde diese Adjektive nicht im Seitentitel und der Meta-Description hat und baut Landingpages dafür.
Sein Beispiel: 43% der Suchanfragen eines Kunden enthielten das Wort „Durable“ – Der Kunde hatte allerdings nichts dazu auf seiner Seite.
Ähm… sorry aber wenn Du bei einer STANDARD Keyword Research nicht mitbekommst, dass die Nutzer „durable“ Produkte brauchen und das als Kombination mit deinen Keywords suchen, sondern HINTERHER die GSC Daten brauchst, bei denen Du eine schlechte Performance hast, dann mach besser deine Agentur zu und rühme dich nicht damit, dieses Insight aus deinem „Data Warehouse“ zu finden.
Das letzte Beispiel bringt mich dann fast zum weinen: Er entdeckte „Woman“ in den Queries und riet dem Kunden dann Seiten zu „Woman Shoes“ zu bauen, anstatt auf einer Seite Männer- und Frauenschuhe zu kombinieren.
REVOLUTIONÄR!
Echt schade. Ich mag Wil, ich respektiere ihn sehr, ich verstehe, dass man auf einer Marketing Konferenz einen eher einsteigerfreundlichen SEO-Vortrag hält, aber das macht mich ernsthaft sprachlos. Oder eben nicht.
Cambridge Analytica, Trend Forecasting and the Future of Data Protection – Christopher Wylie
Chris ist Ex-Mitarbeiter von Cambridge Analytica und der Whistleblower, der die kriminellen Machenschaften des Unternehmens an die Öffentlichkeit gebracht hat. Er hat sehr anschaulich erklärt, wie Daten gesammelt, untersucht und verwendet werden, um Menschen gezielt via Social Media zu manipulieren. Echt krasser Scheiß!
Kurz gefasst: Techniken des Militärs, die sich weit ausserhalb des rechtlichen Rahmen bewegt haben, wurden auf alles Mögliche angewendet, beispielsweise Wahlmanipulationen in diversen Ländern.
Wer mehr über Chris erfahren will kann beispielsweise hier starten: https://en.wikipedia.org/wiki/Christopher_Wylie
Digital marketing is dead: Survival tips for what comes next – Jono Alderson
Wow jetzt wir es wirklich absurd. Der Vortrag sollte heißen: Only SEO for Marketing is dead: What else should I be doing since EVER to market my products besides SEO…
Jono stellt fest: Wenn wir in Zukunft alles über Assistenten kaufen, gibt es keine Auswahl mehr im Sinne eines Vergleiches. Es reicht also nicht mehr zu ranken. Drei Konzepte helfen Assistenten laut Jono bei der Auswahl:
- Availability: Ist it open/nearby/valid – funzt jetzt schon sehr gut.
- Suitability: Is it good/right/cheap? – Wird immer besser.
- Implied Preference: Does it align with what I unterstand of your values?
Für eine Anfrage a la: „OK Google – recommend me a dishwasher for under 300 EUR“ musst Du Deine Zielgruppe beeinflussen, bevor Sie Googlen. BOAH!!! Das ist wirklich krass. Mach nicht nur SEO sondern Marketing?! … Whooooooo! True shit! Brand Marketing is der heiße Scheiß. Mindestens seit den 1920ern.
I need to calm down now …
Using irrational behaviour for good – Dan Ariely
Jetzt kommt der Grund, wieso ich nach Prag gefahren bin <3 Der Autor von „Predictably Irrational“ ist zum ersten Mal in Prag. Ich liebe Bücher über menschliches Verhalten und Entscheidungen.
Los geht’s: Wie kann man menschliches Verhalten ändern? Dan sagt es gibt zwei Möglichkeiten:
- Remove friction
- Add fuel
Out-Out vs. Opt-In als schönes Beispiel zwischen teueren Markenmedikamenten und günstigen Generika. Im Grunde der Umstand, wieso wir so wenige Organspender haben, weil wir uns aktiv DAFÜR entscheiden müssen (Opt-In), im Gegensatz zu anderen Ländern, in denen man sich DAGEGEN entscheiden muss (Opt-Out). Dan bringt noch viele weitere, sehr interessante Beispiele, teilweise schon aus seinen Büchern bekannt, wie irrational sich Menschen verhalten, aufgrund gefühlter Tatsachen vs. objektiv optimalen Strategien.
Geiles Beispiel für Onliner: Show Effort!
Stell Dir vor, du fragst die Berater von McKinsey nach einem Rat. Du bekommst 500 Slides und den Rat den Du wolltest auf der letzten Folie. Kostet 1 Mio.
Stell Dir vor, du bekommst für 1 Mio. nur die letzte Folie. Du hättest das Gefühl betrogen worden zu sein. Aber alle 500 nutzlosen Folien PLUS die eine wirklich wichtige? Fair Deal 😀
Webseiten zeigen dem Nutzer zu wenig, wieviele Anstrengungen im Angebot stecken. Dan sagt Kayak macht es gut! Zeige dem Nutzer, was Du für Ihn tust. Bei Kayak sieht man bei einer Flugsuche wirklich das Tool arbeitet. Auch wenn das alles nur Show ist – es wirkt!
Viele Lacher – geiler Vortrag – wer kennt das Beispiel, wieso Frauen Diamant-Ringe so lieben? 😀 Alleine für diesen Vortrag hat sich die Reise gelohnt!!!
„Content“ is the Worst Word the Marketing Industry Ever Invented – Samuel Scott
„Content“ und „Content Marketing“ sind in aller Munde, aber Samuel Scott glaubt, dass diese Bezeichnung nichts konkret bedeuten. Er betrachtet die Vergangenheit und Gegenwart von „Content“ und zeigt, dass Content eigentlich nichts anderes ist als das, was Firmen immer getan hat, und zeigt wie Marketingspezialisten stattdessen strategisch und taktisch denken sollten.
Hahaha jetzt wirds geil! Samuel legt richtig krass los: HubSpot ist nicht Inbound, sondern man spammt auf Blogs, sammelt E-Mails und macht dann damit eigentlich Outbound Marketing, um zu verkaufen!
HubSpot sells an alternative to Advertising
Fakt ist jedoch, Werbebudgets wachsen jedes Jahr um 3%. HubSpot verliert Geld, ist nicht profitabel und verwendet dabei das Marketing, dass sie proklamieren. VC driven growth – to appear successful!
Er fragt:
Wollen Beschäftigte Personen wirklich Informationen von ihrer Waschmaschinen-Marke? Von Ihrer Biermarke?
Ich denke, dass klassische Informationen nicht die einzige Art von „Inhalt“ sind. Biermarken haben in der Vergangenheit oft mit lustigen und unterhaltsamen „Inhalten“ sprich Videos gigantische Reichweiten und Werbeeffekte erzielt. Natürlich waren diese Kampagnen von Advertising getrieben, unterstützt, initiiert und begleitet. Aber das ist doch kein Widerspruch!
Ich denke: Es geht nicht um Inbound vs. Advertising sondern um die effektive Verbindung beider Disziplinen zur gegenseitigen Verstärkung!
Okay, im Grunde kritisiert Samuel lediglich die Verwendung des Begriffes „Content“. Weil damit der Anlass, das Ziel und die Besonderheiten des Mediums vollkommen ignoriert werden.
Sehr schöner Vortrag mit einem echt geilen Kampagnenbeispiel, dass merkwürdigerweise vollkommen an mir vorbeigegangen ist. https://www.brandchannel.com/2015/01/06/gillette-venus-updates-shes-got-it-as-girl-power-anthem/
The Doomsday Upon Us – Stéphane Hamel
Stéphane stellt die Frage, ob Marketing noch
„the activity, set of institutions, and processes for creating, communicating, delivering, and exchanging offerings that have value for customers, clients, partners, and society at large“
ist, wie es in der Definition steht, oder dank Daten, maschinellem Lernen und KI bereits die dünne Linie zur Manipulation der Nutzer zum Nutzen Weniger überschritten?
Sehr sehr geiler und spannender Vortrag über AI und die Dinge, die HEUTE schon passieren und sehr sehr verstörend sind. Regt wirklich zum Nachdenken an… Schaut euch mal die Montreal Declaration for a Responsible Development of Artificial Intelligence an.
Making Marketers Better in 2019 – Mark Ritson
Der Marketing-Professor Mark Ritson ist vielen in Deutschland erst seit seinem provokanten Artikel Gary Vaynerchuk is wrong, wrong, wrong, wrong, wrong about media ein Begriff. Dabei ist er kein normalo Marketing-Professor, sondern hat sich auf feurige Tiraden gegen alle Arten von Marketing Bullshit spezialisiert.
In seinem meeeega unterhaltsamen Vortrag setzt er sich mit den größten Herausforderungen im Marketing auseinander, also der Integration digitaler Medien in die Markenstrategie, dem heiligen ROI und der Markenpositionierung und seinen einzigartigen Blick auf den Markenaufbau. Laut Mark baut man bessere Marke durch eine bessere Strategie.
So managed man eine Brand:
- Diagnosis
- Strategy
- Tactics (4P)
There is no Facebook Strategy, no SEO Strategy, it is non Tactical!
Stellt Euch einfach folgende fünf Fragen:
- Which Brands will we operate
- Which Customers will be targeted
- What is our position to those targets? (Mission & Vision or USP)
- What are the brand codes?
- What are the strategic objectives?
Das Einzige was Mark will ist, dass man diese fünf Fragen beantwortet. Ihm ist sogar scheißegal, ob man Sie korrekt beantwortet, weil scheinbar kein Unternehmen sie überhaupt beantwortet. Außerdem: Learn to kill. Killing Brands is good! Fokus, Fokus, Fokus!
Fazit
Ein bisschen habe ich mich in Prag verliebt. Wir hatten mega schönes Wetter und zum Ende hin waren wir zu siebt unterwegs und hatten mega viel Spaß und spannende Diskussionen <3
Die Konferenz war wirklich klasse und ich kann es jedem Marketer, egal ob SEO, SEA, Affiliate, Klassisch, Print oder Wasauchimmer wirklich empfehlen nächstes Jahr nach Prag zu fahren. Ein Programm wie dieses sucht man in Europa sonst vergeben. Insbesondere für Search Marketer ist der Ausflug in strategischere Marketingthemen wie Markenbildung beispielsweise ein echter Gewinn und kann die Synapsen zum glühen bringen.
Leider war ich dennoch insgesamt etwas enttäuscht, schließlich wurde der Event als Festival positioniert und mit einer Dauer von drei Tagen angegeben. Davon blieb am ersten Tag lediglich Abends ein kleines Get-Together mit einfachen Getränken auf eigene Rechnung, am zweiten Tag die Auswahl von sechs Workshops, die semi-interessant waren und separat gebucht und bezahlt werden mussten, sowie eben der eigentlich Tag der Konferenz. Musik gab es im Grunde nur auf der After-Party im Prager Kongresszentrum. Also mein Rat an die Veranstalter wäre eine Umbenennung in ‚Marketing Konferenz Prag‘. Wichtig zu sagen bleibt außerdem, dass man den Trip nicht alleine antreten sollte, denn es ist echt schwer vor Ort Anschluß an deutschsprechende Marketer zu finden – daher hatten wir ja bereits im Vorfeld für die Bildung unseres Wolfpacks gesorgt 😉
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Keine Sorge, ich mag Spam genauso wenig wie Du und gebe Deine Daten niemals weiter! Du bekommst höchstens einmal pro Woche eine E-Mail von mir. Versprochen.